Rossmarkt3 - die Studie

Partizipation der Zivilgesellschaft

Bei dem 3-jährigen, partizipativen Skulpturenprojekt ging der Künstlerwahl durch die jungen Bürger jedes Mal ein umfängliches Bildungsprojekt voraus, das rund um den Rossmarkt stattfand und sich den Stadtraum dafür anverwandelte. Gemeinsam mit diversen Experten erforschten die jungen Frankfurter – ca. 35 Schüler aller Gymnasien jährlich – in vielen interdisziplinären Workshops den öffentlichen Platz unter historischen, städtebaulichen, soziologischen und ästhetischen Aspekten. Die Bildungsstudie vermittelte das nötige Wissen und die Urteilskraft, um verantwortungsvoll mit dem öffentlichen Raum umzugehen und Prämissen als Auftragsinhalte für die Künstler und sein Werk aufzustellen. Einerseits war dieser Vorgang identitätsstiftend, andererseits ging es um Inhalte, die weit über den städtischen Rahmen hinausgehen. Dabei war vor allem der demokratische und bürgerschaftliche Prozess der Kunstfindung neu. Partizipation ermöglichte eine neue Verortung mit dem eigenen städtischen Lebensraum.

Interdisziplinärer Expertenkreis: Alex Oppermann, Designer (Saasfee), Björn Wissenbach, Stadthistoriker, Mischa Bonn, Physiker (MPI), Ulrich Sonnenschein, Journalist (HR), Peter Schenk, Grafikdesigner, Swantje Karich, Kunstkritikerin (Die Welt), Ulrich Lang, Restaurator (MMk), Hella Schindel, Architektin, Lorenz Dexler, Landschaftsarchitekt (Topotek), Jule Hillgärtner, Kuratorin (Kunstverein Braunschweig), Jule Lienemeyer, Stadtplanerin (Stadt Frankfurt), Marc Behrens, Soundkünstler, Antje Grell, Architektin, Mathias Wilvonseder, Künstler, Ulf Kilian, Künstler, Christine Bürkle, Tänzerin, Michael Beye, Architekt, Lukas Scheid, Architekt, Peyman Rahimi, Künstler, Martin Neumaier, Künstler, Matthias Göritz, Schriftssteller.

Öffentlichkeit und Revolution

„Die erste Phase des Projekts bestand aus Workshops, die die Frankfurter Innenstadt und vor allem den Roßmarkt als Raum erfahrbar machen sollten. Die Auseinandersetzung mit dem Stadt-Raum ging von verschiedensten Ansätzen aus. Den Auftakt bildete eine spielerische Erfahrung mit dem Titel „Blinde Kuh“, in der die Schüler mit verbundenen Augen Spaziergänge über Straßen und Plätze machten und so zu einer ganz neue „Sicht“ auf ihre Umwelt fanden.

Eine andere Gruppe analysierte den Roßmarkt direkt mit Hilfe von Handy-Fotos, Skizzen und Abmessungen in Schrittlängen. Die Aufzeichnungen wurden zu dreidimensionalen Entwürfen einer möglichst genauen Silhouette, inklusive der Bäume und umstehenden Hochhäuser verarbeitet.

Anschließend hielt jeder Teilnehmer seine ganz persönliche Roßmarkt-Utopie in Form eines Plakates fest. Von Collagen über Zeichnungen bis zu Faltarbeiten war alles vertreten. Genau so kreativ waren die inhaltlichen Ideen der Schüler – Bühnen, Cafés, Sitzgelegenheiten, Grünanlagen, Street-Art und vieles mehr waren dort zu finden.

Ein „Revolutionsworkshop“ befasste sich zunächst theoretisch mit der Rolle öffentlicher Plätze bei gesellschaftlichen Umstürzen und versuchte sich später an einer eigenen Revolution: „Was denkst du?“ fragten die Banner, die daraus entstanden, und mit denen die Schüler auf Passanten zugingen, um sie zum Nachdenken anzuregen. Der „Revolutionszug“ schloss sich sogar kurz einer parallel stattfindenden Demonstration an, die sich mit der Aussage „Mehr Denken!“ durchaus identifizieren konnte. Lob gab es auch von vielen Frankfurtern, die von der Botschaft begeistert waren – während andere angaben, schlicht an „nichts“ zu denken.

In der Frankfurter Innenstadt begegnet man vielen kleineren und größeren Kunstschätzen vom klassischen Denkmal in der Taunusanlage bis zum Euro-Zeichen vor der Europäischen Zentralbank. Die Frage, was diese Werke unterscheidet, und wo Kunst als Definition nicht mehr greifen kann, diskutierten die Teilnehmer einer von Architekten geleiteten Führung durch den Anlagen-Ring und seine Umgebung.

Der Aufsehen erregendste Workshop war aber sicherlich der letzte, an dem nicht nur alle Schüler beteiligt waren, sondern zu dem auch noch Freunde und spontan Interessierte hinzukamen. Mit Plastikfolie sollte ein Meer über den Rossmarkt gespannt werden – keine leichte Aufgabe angesichts beträchtlicher Windstöße und der riesigen Fläche. Kurzerhand wurde umgeplant, das Gutenberg-Denkmal bekam eine neue Verpackung aus Folie verpasst, die viele Passanten zum Staunen brachte. Zuletzt wurden diese auch noch mit einbezogen, als die Folie wie ein Hindernis quer über den Platz gespannt bewegt wurde.“

Valeria Mazzaferro

ROSSMARKT3-Community 2012/13

Sophia von Lüpke, Luka Jazo, Valeria Mazzaferro, Tim Wildberger, Theresa Begon, Sonja Kutzner, Rachel Marcu Narjess, Hadjam Naomi Royer, Maja Sen-Gupta, Katarina Colic, Jennifer Bisch, Malte Sonnenschein Isabelle Duchêne, Viktoria Drews, Setareh Alipour,
Ann-Kathrin Westenhoeffer, Florinda Frentescu, Nazlican Yüsek, Doreen Gehl, Anna Jungbluth, Aylin Laura Steingraf, Chiara Erhardt