JEPPE HEIN - ENTANGLED EMOTIONS
In der Taunusstraße, am Saum der Wallanlagen im Frankfurter Bankenviertel, entfaltet sich vor dem SKYPER Hochhaus und der SKYPER Villa ein neuer Platz.
Drei kurvenreiche und leuchtend hellgelbe Straßenlaternen des Künstlers Jeppe Hein ranken sich vor der Fassade des SKYPER Towers gen Himmel empor. Sie sind auf den raschen ersten Blick zunächst funktionale Elemente des urbanen Raums wie man sie kennt. Die erste Vergewisserung trügt. Weder die konventionelle Erwartung an eine Platzbeleuchtung noch an eine monumentale Skulptur vor einem Bankgebäude wird erfüllt. Entangled Emotions sind beides und damit eine Erweiterung und Radikalisierung der traditionellen Vorstellungen von Kunst und ihrer Rolle im öffentlichen Raum. Inspiriert von klassischen dänischen Straßenlampen, dehnen sich ihre tänzerischen Formen organisch nach oben aus und drehen sich in Schleifen, die sich mit der Architektur verflechten und die städtische Landschaft in einem spielerischen Wechselspiel zwischen den Spiegelungen der Gebäude und den Bewegungen der Passanten reflektieren. Sie bieten in ihrer skulpturalen Allansichtigkeit nicht nur Licht, sondern neigen sich wie Personen den Passanten und Betrachtern zu, um in ein Zwiegespräch eintreten zu können.
Diese Auftragsarbeit für die Frankfurter Stadtlandschaft ist ein Grund zum Feiern. Eingerahmt von SKYPER Tower und der historischen Villa, wird der Vorplatz durch die permanente Skulptur nun zu einem respektablen Ort. Inmitten des Frankfurter Bankenviertels, neben den Werken renommierter Künstler in den Wallanlagen und vor den Hochhäusern, bereichert Heins jüngste Installation die lange Tradition der Frankfurter Kunst im öffentlichen Raum.
Jeppe Heins tiefe Verbindung zu Frankfurt reicht bis in seine Studienjahre an der Städelschule zurück. Der Main, die Parklandschaften, die Hochhäuser, die Verbindung aus Banken-Metropole und Subkultur waren prägend. Sie haben seine Arbeit maßgeblich beeinflusst und führten zur Entstehung seines dreiteiligen Werkes Entangled Emotions (2024), das er, als Sieger eines eingeladenen Wettbewerbs, für den Vorplatz des SKYPER Towers entwarf. Genau an diese urbane Nahtstelle begibt sich Jeppe Hein mit seiner jüngsten Arbeit, um ein Werk der Selbstverständlichkeit auszudenken, das feinsinnig einen Ort erschafft, der vorher unsichtbar war. Jeppe Heins Skulpturen sind zugänglich, man möchte darin umhergehen, sich damit umgeben, ihre Eleganz spüren und überrascht werden.
In der Überlegung des Künstlers sollte sich der Platz mit Heiterkeit füllen, ein sozialer Raum werden, die Kunst darf erquicken und menschliche Interaktion ist durchaus erwünscht. Im besten Fall begibt sich der Betrachter in ein Gespräch mit der Kunst und anderen Vorbeigehenden.
Die Arbeit Entangled Emotions ist als permanentes Werk im urbanen Stadtraum konzipiert und wurde vom Gebäudeeigentümer, vertreten durch die Ampega Asset Management GmbH, beauftragt. Der SKYPER Tower ist ein architektonisches Wahrzeichen in der Frankfurter Skyline. Seine unverwechselbare Gestalt und seine herausragende Lage sind bedeutender Teil der Identität der Stadt. Im Zuge der Weiterentwicklung des Towers wurden die öffentlichen Bereiche und der Vorplatz des SKYPER neu gestaltet. Dabei arbeitet die Gestaltung des Architekturbüros BilleBeyeScheid in Material und Farbe bewusst kontextuell, um einen geeigneten Rahmen für die Kunst zu schaffen.
Homegoing – Jeppe Hein zurück in Frankfurt
Mit Entangled Emotions kehrt Jeppe Hein mit einer permanenten Arbeit im öffentlichen Stadtraum nach Frankfurt zurück. Damit wird ihm und seinem Wirken in dieser Stadt eine allfällige Reverenz erwiesen. Es ist nicht nur seine Zeit an der Städelschule, sondern auch die ersten, für das Oeuvre nicht unwesentlichen, institutionellen Ausstellungen, die ihn fest mit Frankfurt verbinden und vice versa: 2001 zeigt er zum ersten Mal in der Ausstellung ‚Neue Welt‘ im Frankfurter Kunstverein seine Moving Bench #02, nur kurze Zeit später dann auch bei der bedeutenden Ausstellung ‘Das lebendige Museum‘ im MMK und ‚Auf eigene Gefahr‘ in der Schirn Kunsthalle. Die Museumsbänke bewegen den Betrachter und Museumsbesucher, nimmt er einmal Platz, plötzlich wie von Geisterhand fahrend durch den Raum. Parallel dazu entstehen die ersten Moving Walls, sanft gleitende Museumswände, die die Idee des festste- henden, bekannten Kunstraums konterkarieren und den Betrachter schmunzelnd in unge- kannte Perspektivwechsel versetzen. Nichts ist wie es scheint, die Kunst ist immer auch Spiegel des Betrachters, feste Parameter werden verschoben, physikalische Gesetze übertöl- pelt. Im Grunde ist die Idee des Kunstwerkes als ‚Gemeinschaftsarbeit‘ damals schon ange- legt, gerät der Betrachter durch freiwillige oder unfreiwillige Teilnahme immer in die Verlo- ckung der Partizipation. Erst in jüngster Zeit, 2020, war Jeppe Hein erneut in der Schirn Kunsthalle eingeladen. In der Ausstellung Today I feel like… Schirn ist das Publikum Hauptak- teur, malt Selbstportraits, die sich zu einem beachtlichen Community-Kunstwerk einer kollektiven und individuellen Gefühlswelt fügen.
Faites Vos Jeux – In guter Gesellschaft
Zwischen Sol Lewitts ‚Open Cubes‘, Heinz Macks ‚Ponto-Brunen‘ vis-à-vis am Jürgen-Ponto- Platz, Franz Wests blau-schlängelnder Skulptur vorm Taunusturm, Cyprien Gaillards ‚Frankfurter Schacht‘ in der Taunusanlage ist Jeppe Heins Entangled Emotions in guter künstlerischer Gesellschaft. Meist der Minimal- oder Konzeptkunst zugeordnet, leitet Heins Kunst obendrein und vor allem die Lust am Spielerischen. Die drei sich zueinander gewundenen Laternen hat er erstmals in dieser Größe realisiert, eine monumentale Alice-in-Wonderland-Installation, Lampen als sprechender Skulpturenwald, Figuren, einladend, um sich in den Loop zu legen, oder an einem Arm zu schaukeln. Sie sind zuerst Skulptur, dann Lampe. Das Quartier um den SKYPER ist immer schon außergewöhnlich vielfältig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entste- hen hier reihenweise Hotels; Restaurants und Cafés und eben auch das berühmte und riesige Schumanntheater. Es zog Tausende von Zuschauern an und beeindruckte sichtlich mit seiner imposanten Architektur. Vor allem aber – und hier trifft es den spirit Hein – beherbergte es nahezu alles, was sich nur mit dem Spielerischen befasste – Varieté, Zirkus (man denke an den Circus Hein), Artistik, Revue und Sportarena.
„Geladen mit Geschichte und den gesellschaftlichen Brüchen, die sich dort abbilden, zielt meine künstlerische Intervention für den Ort darauf, Bewusstsein für diese räumlich-gesellschaftliche Multidimensionalität zu schärfen. Sie spiegelt die ständig wechselnden Perspektiven wider, die unsere Wahrnehmung und Emotionen formen. Die Formen sind nicht starr, sondern in ständiger Bewegung, und sie greifen ineinander, als ob Raum und Emotionen miteinander tanzen würden.“
—Jeppe Hein
Mit dem SKYPER Turm und der Villa haben die drei Lichtskulpturen mit den klassischen Lampenköpfen des dänischen Designers Louis Poulsen, zwei starke Nachbarn. Die Laternen sind eine feste Werkgruppe in Heins Œuvre. In Ishøj in Dänemark, am Arken Museum, hat er in 2021 einen ganzen Parcours dieser Lichtskulpturen geschaffen. Zugleich sind sie auch eine Hommage an die Lampen Martin Kippenbergers, mit dem Jeppe Hein den subtilen Humor und die Heiterkeit in der Kunst teilt. Jede mit einem individuellen Charakter ausgestattet, wirken sie gemeinsam und dynamisch, verändern sich je nach Standort des Betrachters perspektivisch. Für den Platz entfalten sie eine bindende Kraft für die Vorbei- und Hindurchschreitenden, eine Verbindung aus horizontaler Bewegung der Passanten und den sich in die vertikale Höhe reckenden Laternen entfaltet sich. Entangled Emotions werden dem urbanen Standort gerecht, denn Heins Arbeiten sind nicht auf den physischen Raum beschränkt, sondern erweitern den emotionalen und geistigen Raum des Betrachters, laden spielerisch und tiefgründig dazu ein, die Welt und sich selbst aus neuer Warte zu betrachten.
Jeppe Hein – Projekte im öffentlichen Raum
„Während die Beziehung zwischen Besucher und Werk im Museum einer weitestgehend festgelegten Definition unterliegt, erleichtert Kunst im öffentlichen Raum den Betrachtern einen ersten Zugang dazu zu finden und ihre Zurückhaltung abzulegen. Zudem bietet der offene Charakter öffentlicher Räume mir als Künstler die Möglichkeit auf sehr konzeptuelle Art und Weise zu arbeiten; ohne die institutionellen Beschränkungen des Museums lassen sich die äußeren Bedingungen von Natur, Raum, Öffentlichkeit und Umgebung reflektieren und in eine künstlerische Idee übersetzen.“
—Jeppe Hein
Die Frankfurter Installation bettet sich in einen großen Werkkomplex des Künstlers ein – Jeppe Heins öffentliche Installationen sind ein wesentlicher Bestandteil seines Œuvres. Es ist sein Anliegen, Kunst nahtlos in den Alltag zu integrieren und sie in die lokale Umgebung einzubetten. Seine ortsspezifischen Arbeiten sind darauf ausgelegt, den einzigartigen urbanen Kontext, die Architektur und die Gemeinschaft der Umgebung widerzuspiegeln. Zentral in Heins Ansatz ist die Förderung einer dynamischen Beziehung zwischen Raum, Objekten und Betrachtern, dabei ist alles auf Interaktion ausgelegt. Seine Kunstwerke regen zur aktiven Teilnahme an und verwandeln Beobachter in engagierte Mitgestalter, traditionelle Wahrnehmungen von Kunst werden verändert.
Weltweit sind Jeppe Heins Arbeiten feste Größe im öffentlichen Raum. Man denkt insbesondere an seine Modified Social Benches, Mirror Labyrinths und Water Pavilions. Immer sind sie ortsspezifisch und spiegeln die umgebende städtische Umgebung und den sozialen Kontext wider. Sie sind eine Hommage an die Zivilgesellschaft, gleich welcher Generation. Die Modified Social Benches fördern auf schmunzelnde, subtile Weise die soziale Interaktion, ihre unkonventionellen Designs, formal auf das Feinste ausgereift, schärfen das Bewusstsein für öffentliche Räume. Die Mirror Labyrinths bestehen aus in geometrischen Mustern angeordneten Spiegelnstelen, die den Betrachter mit veränderten Reflexionen konfrontieren und so die Wahrnehmung von Raum und eigener Identität herausfordern. Die Water Pavilions zeigen bewegte Wasserwände, die die Flüchtigkeit von Raum und Zeit hervorrufen.
Durch diese Ansätze schafft Hein Kunstwerke, die über das traditionelle Betrachten hinausgehen und Interaktion sowie Teilnahme betonen. Seine Arbeit verbindet Kunst, Architektur und öffentlichen Raum zu einem dynamischen Erlebnis, das neue Perspektiven eröffnet und das Verhältnis zwischen Betrachter und Kunstwerk neu definiert.
„Mit meinen Modified Street Lights möchte ich den Ort mit Heiterkeit und Freundlichkeit aufladen, um damit die Begegnung von Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn die Betrachter meiner Kunst mit ihr interagieren und sich gegenseitig dadurch näherkommen, sich vielleicht ein Lächeln schenken, oder kurz darüber ins Gespräch kommen, ist es für mich ein gelungenes Kunstwerk.”
—Jeppe Hein
Werkangaben:
Entangled Emotions, 2024
Pulverbeschichtetes Edelstahl, pulverbeschichteter Lampenkopf Albertslund Maxi von Louis Poulsen, LED
Modified Street Light Skyper #01: 477 x 634 x 88 cm
Modified Street Light Skyper #02: 468 x 177 x 88 cm
Modified Street Light Skyper #03: 480 x 213 x 136 cm